Hundeerziehung

Aversive Trainingsmethoden beim Hund: Lieber nicht!

Aversive Trainingsmethoden in der Hundeerziehung sind sehr umstritten. Dabei wird versucht, dem Hund unerwünschtes Verhalten durch Abschreckung und andere unangenehme Reize abzugewöhnen. Einerseits können die Methoden, richtig angewendet, kurzfristig Erfolg zeigen, andererseits sind die Konsequenzen daraus unvorhersehbar. Mehr zu dem kontroversen Thema erfahren Sie in unserem Ratgeber.
Aversive Trainingsmethoden gelten als sehr umstritten, da sie dem Hund seelisch schaden können – Shutterstock / spillikin
Aversive Trainingsmethoden gelten als sehr umstritten, da sie dem Hund seelisch schaden können – Shutterstock / spillikin

Vielleicht haben Sie bereits von Cesar Millan gehört? Der US-Amerikaner ist Buchautor und Hundetrainer, er tritt außerdem regelmäßig als "Hundeflüsterer" oder "Rudelführer" im Fernsehen auf. Dabei wendet er oft sogenannte aversive Trainingsmethoden an, weshalb er immer wieder in die Kritik gerät. Der Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater forderte sogar die Einstellung der Fernsehsendung im deutschsprachigen Raum, da die Methoden von Laien zu leicht missverstanden und falsch angewendet werden können.

Was sind aversive Trainingsmethoden beim Hund?

Der "Duden" beschreibt den Begriff "aversiv" mit "Widerwillen hervorrufend", Synonyme zu "Aversion" sind zum Beispiel "Ekel", "Abscheu", "Unmut", "Feindseligkeit" und sogar "Hass". Aversive Trainingsmethoden sind also Erziehungsmaßnahmen, die einen mindestens unangenehmen Reiz auf den Hund ausüben, bei ihm eine starke Abneigung, einen Schreck, Schmerzen oder Angst hervorrufen. Im Grunde handelt es sich hierbei um mehr oder weniger harte Strafen. Ziel dessen ist, dem Hund schnell und effektiv unerwünschtes Verhalten abzugewöhnen. Sobald der Vierbeiner etwas tut, was der Hundehalter nicht will, bekommt er einen aversiven Reiz zu spüren, in der Hoffnung, dass er diesen Reiz mit seinem Verhalten verknüpft und dieses künftig unterlässt, um die Aversion zu vermeiden.

Aversive Trainingsmethoden sind zum Beispiel folgende Erziehungsmittel:
Sprühflasche oder Wasserpistole
● Lautes Klatschen oder ein anderes plötzliches, lautes Geräusch
● Mit Nägeln, Steinen oder Erbsen gefüllte Rütteldose und andere Wurfobjekte
Erziehungshalsband: Sprüh-, Vibrations-, Elektro-, Würge- oder Stachelhalsband
● Schmerzreize über die Leine, zum Beispiel Leinenruck
● Andere Schmerzreize, etwa Kneifen in die Flanke, "Anschnipsen", Schläge mit den Fingerkuppen, Ohrenziehen, leichtes Treten in die Leiste
● Erzwungene Unterwerfung durch Schnauzgriff, "Alphawurf" (auf die Seite werfen), Pfoten wegziehen, auf die Pfoten treten, Hund festhalten oder sich auf ihn legen

Kurzfristiger Effekt aversiver Trainingsmethoden

Es kann sein, dass aversive Trainingsmethoden unmittelbar dazu führen, dass der Hund das unerwünschte Verhalten sein lässt. Dazu müssen sie "richtig" angewendet werden, das heißt:
● Ihr Vierbeiner muss den aversiven Reiz als unangenehme Konsequenz seines Fehlverhaltens begreifen.
● Dafür darf Ihr Hund nicht merken, dass der aversive Reiz von Ihnen ausgeht.
● Die Strafe muss sofort auf das Fehlverhalten folgen. Bereits wenige Sekunden verhindern, dass Ihr Haustier sein Handeln mit den unangenehmen Folgen in Verbindung bringt.
● Der aversive Reiz muss stark genug sein, damit es sich für den Hund lohnt, sein Fehlverhalten zu unterlassen. Er darf aber nicht so stark sein, dass er dem Vierbeiner Schmerzen oder Angst bereitet, ihn womöglich sogar verletzt.

Für erfahrene Hundetrainer, die das jahrelang geübt haben, mag es möglich sein, diese Bedingungen exakt zu erfüllen, sodass der Vierbeiner tatsächlich das tut, was der Mensch möchte. Ähnlich funktioniert Drill beim Militär oder ein autoritärer Erziehungsstil bei Kindern. Der individuelle Willen des "Zöglings" wird gebrochen und dem Willen des Erziehers unterworfen. Der Hund spurt und gehorcht zwar, wenn aversive Trainingsmethoden die gewünschte Wirkung zeigen, doch ob das langfristig so bleibt, lässt sich schwer voraussehen.

Schließlich haben die entsprechenden Hundetrainer nur kurz mit dem Vierbeiner zu tun, seine Familie aber hat ihn sein Leben lang bei sich. Vor allem im Fernsehen bei Cesar Millan und Co. können außerdem nur Ausschnitte und Teilaspekte aus der Hundeerziehung gezeigt werden, diese werden zudem noch auf Unterhaltungswert und Showeffekt getrimmt. Unerfahrene Hundehalter können da schnell einen falschen Eindruck gewinnen.

Angst und Verhaltensauffälligkeiten durch aversive Trainingsmethoden

Wer aversive Trainingsmethoden falsch anwendet – und diese Gefahr ist groß – schadet seinem Hund damit auf lange Sicht. Bemerkt der Vierbeiner zum Beispiel, dass der aversive Reiz von Ihnen ausgeht, entwickelt er eine Abneigung gegen Sie. Er begreift dann nicht, dass die unangenehmen Konsequenzen Folge seines Handelns sind. Wenn Sie Glück haben, macht Ihr Hund das Fehlverhalten nur noch in Ihrer Abwesenheit. Wenn Sie Pech haben, bekommt er Angst vor Ihnen. Verstreicht zu viel Zeit zwischen Fehlverhalten und Strafe, kann Ihr Haustier ebensowenig die richtige Verknüpfung herstellen – hier kann es passieren, dass er vor irgendetwas anderem Angst bekommt, was sich zufällig gerade in seiner näheren Umgebung befand, als der Schreck oder Schmerzreiz erfolgte.

Ist der Reiz nicht unangenehm genug, funktionieren aversive Trainingsmethoden nicht, ist er zu stark, verletzen Sie Ihren Hund. So oder so schaden Sie mit den Strafen dem Vertrauen Ihres Hundes und der Bindung zwischen Ihnen beiden. Möglicherweise beugt sich der Vierbeiner zwar Ihrem Willen, aber glücklich und ausgeglichen ist er dabei nicht, sondern steht unter Stress, weil er permanent mit aversiven Reizen rechnet. Schlimmstenfalls entwickelt Ihr Hund eine Angststörung, wird aggressiv oder zeigt andere problematische Verhaltensauffälligkeiten.

Hundefreundliche Alternativen zu aversiven Trainingsmethoden

Anstatt unerwünschtes Verhalten also durch aversive Trainingsmethoden oberflächlich und mit unabsehbaren Folgen zu korrigieren, sollten Sie lieber erwünschtes Verhalten mit einer Belohnung honorieren. Unerwünschtes Verhalten ignorieren Sie am besten. Für Notsituationen, in denen Ihr Hund schnell sein Handeln unterbrechen soll – etwa weil er sich einem potenziellen Giftköder nähert oder von Ihnen wegrennt – muss er die Kommandos "Aus!" und "Nein" sowie den Rückruf beherrschen. Diese erfordern geduldiges und konsequentes Training, aber keinesfalls Gewalt oder Drill. In unserem Ratgeber "Wie Ihr Hund Kommandos besser versteht: 5 Tipps" finden Sie dazu Hilfe.

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2 Kommentare
  • einfachtierisch.de

    02-01-2017 09:01:13

    einfachtierisch.de: Lieber Herr Fleischer, das freut uns, dass Ihnen unser Artikel gefallen hat. Der Unterschied zwischen der Hundeerziehung durch den Menschen und der Erziehung durch die Hundeeltern liegt vor allem in der unterschiedlichen "Sprache". Menschen können nie mit hundertprozentiger Sicherheit wissen, wie Ihre Signale beim Hund ankommen, und können ihm mit aversiven Trainingsmethoden daher unbeabsichtigt Angst machen. Hunde untereinander wissen im Gegensatz dazu genau, wie Sie freche Hundekinder zurechtweisen können, ohne ihnen Schmerzen zuzufügen, sie zu verunsichern oder einzuschüchtern. In unserem Ratgeber "Was lernen Hundewelpen von ihrer Mama?" finden Sie dazu weitere Informationen: http://www.einfachtierisch.de/hunde/hundehaltung/was-lernen-hundewelpen-von-ihrer-mama-id102207/ Liebe Grüße von Ihrem einfachtierisch.de-Team
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  • person

    02-01-2017 08:01:33

    TorstenFlei: Danke für den interessanten Artikel. Ich stelle mir die Frage, denn der aversive Reiz nicht vom Hundeführer ausgehen soll, wegen negativer Verknüpfung, wie verhält es sich dann mit der Rückkopplung durch elterliche Reglementierung. Dort werden die Jungen ebenfalls in ihre Schranken gewiesen ohne dass es zu Beziehungdproblemen kommt.
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